Endometriose und der Behindertenstatus

Endometriose ist eine Erkrankung, die das Leben vieler Frauen drastisch beeinflusst – körperlich, emotional und beruflich. Vielleicht bist du selbst betroffen oder kennst jemanden, der Tag für Tag mit den teils unerträglichen Schmerzen und den unzähligen Herausforderungen lebt, die diese chronische Krankheit mit sich bringt. Doch inmitten dieser Belastungen gibt es Wege, Unterstützung zu finden – einer davon ist der Grad der Behinderung (GdB). Ja, du hast richtig gelesen: Mit Endometriose hast du möglicherweise Anspruch auf einen Grad der Behinderung, wenn die Erkrankung dich stark in deinem Leben einschränkt.

Endometriose ist viel mehr als nur „starke Regelschmerzen“, wie es leider oft abgetan wird. Sie kann das tägliche Leben stark einschränken: Der Schmerz kann dich so lähmen, dass du nicht zur Arbeit gehen kannst, Termine absagen musst oder einfach nur erschöpft bist. Hinzu kommt, dass Endometriose nicht nur eine körperliche Belastung bedeutet, sondern auch eine emotionale. Sich ständig mit Schmerzen zu arrangieren, ohne zu wissen, wann sie wiederkommen, kann auch psychisch sehr belastend sein.

Frau mit Endometriose zweifelt - Anspruch auf Grad der Behinderung?
Betroffene zögern oft, wegen Endometriose einen Behindertenstatus zu beantragen, weil die Erkrankung “unsichtbar" ist. 

Kommt ein Behindertenstatus für dich in Frage?

Vielleicht hast du dich schon gefragt, ob es möglich ist, wegen deiner Endometriose einen Behindertenstatus zu beantragen. Vielleicht hast du auch gezögert, weil du dachtest: Dafür bin ich doch nicht behindert genug, oder? Diese Frage stellt sich leider viel zu oft, vor allem bei einer unsichtbaren Erkrankung wie Endometriose. Doch die Wahrheit ist: Wenn dich deine Endometriose so sehr beeinträchtigt, dass dein Leben – sei es beruflich oder privat – darunter leidet, dann hast du jedes Recht, Unterstützung zu suchen.

Ein anerkannter GdB kann dir das Leben zumindest etwas erleichtern. Er kann dir helfen, bestimmte Vorteile zu nutzen, wie z. B. zusätzlichen Kündigungsschutz, steuerliche Erleichterungen und in manchen Fällen auch eine bessere medizinische Versorgung. Es geht nicht darum, dass du „abgestempelt“ wirst – es geht darum, die Unterstützung zu bekommen, die dir zusteht. Nicht ohne Grund spricht man bei den „Vorteilen“, die ein Grad der Behinderung mit sich bringen kann, genau genommen von einem Nachteilsausgleich. Denn durch die krankheitsbedingten Einschränkungen hast du gegenüber gesunden Menschen einen Nachteil, der durch den GdB zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden soll.

Was es bei welchem GdB für Nachteilsausgleiche gibt, kannst du hier nachlesen.

Wie wird der Grad der Behinderung errechnet?

Der Grad der Behinderung (GdB) wird in Deutschland durch eine individuelle medizinische Begutachtung ermittelt. Dabei fließen die folgenden Faktoren in die Entscheidung ein:

  1. Medizinische Unterlagen: Ärzte bewerten die gesundheitlichen Einschränkungen anhand von Berichten und Gutachten.

  2. Vorgaben: Es gibt klare Richtlinien in der Versorgungsmedizin-Verordnung, die die Bewertung unterstützen.

  3. Persönliche Umstände: Jeder Fall wird einzeln betrachtet, um die Art und Schwere der Behinderung gerecht zu erfassen.

Am Ende wird der GdB auf einer Skala von 20 bis 100 festgelegt. Ein Wert von 50 oder mehr bedeutet, dass jemand als schwerbehindert gilt. Auch bekommt man nur ab einem GdB von 50 einen Behindertenausweis, bei einem niedrigeren GdB erhält man lediglich einen Feststellungsbescheid.

Ein häufiger Irrglaube:

Ein Grad der Behinderung (GdB) von z. B. 40 bedeutet nicht, dass jemand zu 40 % behindert ist. Der GdB ist eine Bewertungszahl, die den Schweregrad einer Behinderung beschreibt, nicht den prozentualen Anteil der „Behinderung“.

Ein GdB von 40 zeigt etwa an, dass es signifikante Einschränkungen gibt, die die Lebensqualität beeinflussen, aber er bedeutet nicht, dass jemand zu 40 % „behindert“ ist. Es handelt sich um eine Einschätzung der individuellen Situation und des Unterstützungsbedarfs.

Hab Mut zur Antragstellung

Viele Endometriose-Betroffene stoßen auf Unverständnis, da die Krankheit äußerlich nicht sichtbar ist. Doch du bist nicht allein! Viele Frauen haben den Weg zur Beantragung des Behindertenstatus bereits erfolgreich gemeistert. Wenn du dich dafür entscheidest, einen Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung zu stellen, mach dich auf etwas Gegenwind gefasst – aber lass dich davon nicht abschrecken. Jede ärztliche Bescheinigung, jeder Nachweis deiner Einschränkungen hilft dir dabei, zu belegen, wie sehr die Erkrankung dein Leben beeinträchtigt. Oft braucht es Geduld, aber ich möchte dich dennoch ermutigen, diesen Schritt zu gehen.

Übrigens: Solltest du noch andere chronische Erkrankungen oder Nebendiagnosen haben, die dich zusätzlich einschränken, gib diese unbedingt im Antrag mit an. Diese werden bei der Ermittlung des GdB mitberücksichtigt.

Unterstützung finden und einfordern

Vielleicht fragst du dich, wie du den ersten Schritt machst. Der erste und wichtigste Schritt ist, dir bewusst zu machen, dass du nicht "übertreibst". Du hast das Recht auf Unterstützung, wenn deine Endometriose dich in deinem täglichen Leben beeinträchtigt. Sprich mit deinen Ärzten offen über deine Beschwerden und bitte sie, dir ärztliche Gutachten auszustellen, die die Schwere deiner Symptome dokumentieren.

Scheue dich nicht, auch juristische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn du dir unsicher bist, wie du den Antrag stellst. Hier sind z. B. die Deutsche Endometriose Vereinigung e.V., der Sozialverband VdK Deutschland und der Sozialverband Deutschland (SoVD), zu nennen.

Du musst diesen Weg nicht alleine gehen!

Warum es sich lohnt

Viele Betroffene berichten, dass der anerkannte GdB ihnen nicht nur Nachteilsausgleiche, sondern auch eine Art „Erleichterung“ gebracht hat. Sie fühlten sich plötzlich mit ihrer Erkrankung ernst genommen und im besten Fall sogar unterstützt. Vielleicht könnte dieser Schritt auch für dich einen solchen Wandel bedeuten.

Wenn du also das Gefühl hast, dass deine Endometriose dich im täglichen Leben behindert, dann zögere nicht, diesen Schritt zu wagen. Du hast ein Recht darauf. Sei mutig – und geh deinen Weg. Dein Wohlbefinden steht an erster Stelle, und du verdienst jede Hilfe, die du bekommen kannst.

Wo du den Grad der Behinderung beantragen kannst

Um den Grad der Behinderung (GdB) in Deutschland zu beantragen, musst du einen Antrag beim zuständigen Versorgungsamt deines Bundeslandes stellen. Dies erfolgt in der Regel schriftlich oder online über die jeweiligen Websites der Ämter. Die Versorgungsämter sind in jedem Bundesland unterschiedlich organisiert. In vielen Bundesländern sind sie direkt beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung oder ähnlichen Behörden angesiedelt. In einigen Ländern können auch andere Ämter oder Dienststellen für diese Aufgabe zuständig sein.

Hier sind einige Beispiele:

  • Baden-Württemberg: Landratsämter oder Bürgermeisterämter großer Städte (z. B. Karlsruhe, Stuttgart)

  • Bayern: Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS)

  • Berlin: Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo)

  • Brandenburg: Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV)

  • Hamburg: Versorgungsamt Hamburg

  • Hessen: Landesversorgungsamt Hessen (Teil des Regierungspräsidiums Kassel)

  • Niedersachsen: Regionale Sozialämter (z. B. Hannover, Braunschweig)

  • Nordrhein-Westfalen: Versorgungsämter bei den Landschaftsverbänden (z. B. LWL oder LVR)

  • Rheinland-Pfalz: Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung

  • Sachsen: Kommunale Versorgungsämter (z. B. Leipzig, Dresden)

  • Schleswig-Holstein: Landesamt für Soziale Dienste (LAsD)
    (Stand 10/2024)

Am besten informierst du dich über die genaue Zuständigkeit in deinem Bundesland, entweder online oder direkt bei den örtlichen Sozialbehörden.

Noch ein Satz zum Schluss: Ob du anderen Menschen oder deinem Arbeitgeber von deinem GdB erzählst, bleibt allein dir überlassen. Allerdings kannst du von gewissen Nachteilsausgleichen nur profitieren, wenn du deinen Arbeitgeber über deinen Grad der Behinderung informierst.

Tipp für den Antrag:

Lege deinem Antrag ein persönliches Schreiben bei, in dem du so genau wie möglich beschreibst, wie dich die Erkrankung in deinem Leben einschränkt. Sei es beim Pendeln zur Arbeit, in deinem Sozialleben, beim Sex, beim Sport…

Mach dir bewusst, dass der/die Sachbearbeiter/in beim Versorgungsamt womöglich keine Idee von der Erkrankung, allerdings einen Ermessensspielraum bei der Einstufung hat. Je genauer du die Einschränkungen schilderst, desto besser kann die bearbeitende Person die Beeinträchtigungen nachvollziehen.