Die Anfänge meiner Endometriose
Die ersten Symptome
Meine Endometriose hatte rückblickend zwei Geburtsstunden: Meine erste Blutung zu Beginn meiner Pubertät sowie mein 22. Lebensjahr. Zu beiden Zeitpunkten wusste ich weder, dass etwas bei mir nicht normal war, noch hatte ich damals je von Endometriose gehört.
Als ich als junge Teenagerin das erste Mal meine Blutung bekam, überwältigte mich die Menge an Blut, die ich verlor: Es war, als wären plötzlich alle Dämme gebrochen und ich traute mich gar nicht mehr, das Badezimmer zu verlassen. An dem Nachmittag war ich allein zu Hause und behalf mir so gut ich konnte mit Toilettenpapier. Daran, aus dem Haus zu gehen, um mir Hygieneartikel zu kaufen, war in dem Zustand nicht zu denken.
Da meine älteren Schulfreundinnen nie von extremen Blutungen geredet hatten, nahm ich jahrelang an, die Menge an Blut, die ich verlor, sei normal. Schon in der Pubertät benötigte ich eine Packung Binden pro Tag, um über die Runden zu kommen. In dem Alter war ich leider auch zu beschämt, um mich bei meinen Freundinnen zu erkundigen, ob sie auch so sehr bluteten und nahm an, es sei bei ihnen nicht anders. Dennoch konnte ich mir nicht erklären, wieso die anderen Mädchen scheinbar so gut mit den Schmerzen und dem Blutverlust klar kamen, im Gegensatz zu mir.
Der zweite „Startschuss” meiner Endometriose war während meines Studiums in Schottland. Die Blutungen wurden mit der Zeit immer schmerzhafter, so dass ich während der Periode nur das Nötigste unternehmen konnte. Irgendwann wurden die Schmerzen, die mit der Periode einhergingen, allerdings so überwältigend, dass ich wegen der Unterleibskrämpfe nicht mehr stehen oder gehen konnte und nur noch stundenlang gekrümmt auf dem Bett lag. Zur Uni konnte ich an den Tagen entsprechend auch nicht gehen, geschweige denn aus dem Haus. Da es aber nur während der Periode so war, verzeichnete ich es unter „Pech gehabt, manche Frauen haben halt stärkere Regelschmerzen als andere…“.
Ich erinnere mich noch gut an einen Ausflug zu einem Park, wo ich auf dem Weg solch starke Krämpfe bekam, dass ich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen konnte. Meinem Freund und mir blieb keine Wahl als ein Taxi zu rufen (damals gab es zum Glück schon Handys), das uns nach Hause brachte. Auch zu der Zeit hielt ich es noch für „einfach starke Regelschmerzen“.
So vergingen viele Jahre mit auffälligen Symptomen, die ich jedoch für normal hielt. Erst mit Mitte Zwanzig, als auch der Geschlechtsverkehr bei mir immer öfter Schmerzen verursachte, gab mein damaliger Freund zu bedenken, dass bei mir vielleicht irgendetwas nicht stimme. Das Thema war für mich so schambehaftet, dass ich mich zuerst nicht traute, die Schmerzen bei einer Frauenärztin anzusprechen. Denn was, wenn bei mir tatsächlich etwas untypisch war oder ich irgendwie krank sein sollte?! Ich sah zu der Zeit auch keinen Zusammenhang zwischen schmerzhafter Periode und Schmerzen beim Sex. Wieso auch?
Mein erster Verdacht auf Endometriose
Eines Tages, als im Internet nach möglichen Gründen für starke Unterleibsschmerzen recherchierte, stieß ich auf eine Erkrankung mit dem Namen „Endometriose“. Die beschriebenen Symptome bei der Erkrankung waren sehr unterschiedlich, aber vieles passte wie die Faust aufs Auge: Die extremen und langen Blutungen, die krassen Unterleibskrämpfe, die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr… Ich notierte mir den Begriff Endometriose und nahm mir vor, meine damalige Frauenärztin auf meinen Verdacht anzusprechen. Gesagt, getan. Ihre Antwort war: „Ich glaube kaum, dass Sie Endometriose haben. Das ist eine Erkrankung, die braucht viele, viele Jahre bis zu einer Diagnose und sie ist wirklich schwer zu diagnostizieren. Ich glaube eher, Sie haben einfach Pech und sehr starke Blutungen. Nehmen Sie einfach stärkere Schmerzmittel.“
Auch wenn die Begründung der Ärztin gegen eine mögliche Endometriose weder Hand noch Fuß hatte, verbannte ich den Begriff „Endometriose“ vorerst aus meinem Kopf. Eine Ärztin sei schließlich die Spezialistin auf ihrem Gebiet, redete ich mir ein.
Zwei Jahre später zog ich in eine andere Stadt und wechselte die Frauenärztin. Auch bei der neuen Ärztin sprach ich meine Beschwerden an. Sie empfahl Magnesium, Schmerzmittel und gegen die Schmerzen beim Sex ein „besseres Gleitmittel“. Auch von der Ärztin wurden meine geäußerten Bedenken, ob es Endometriose sein könne, als Unsinn abgetan. Also lebte ich weiter mit den Schmerzen, fing aber langsam an, an meinem Körper und meiner Selbstwahrnehmung zu zweifeln. Wie konnte es sein, dass solch einschränkende Schmerzen so „normal“ seien, dass niemand darüber sprach? War mein Schmerzempfinden etwa anders? War ich gar ein Sensibelchen?
Der Ärztemarathon
Das nächste Jahr war geprägt von sich stetig verschlimmernden Schmerzschüben, die mich zu den schlimmsten Phasen diverse Male in die Notaufnahme lieferten. Auch dort wurde nie eine Ursache festgestellt und mir jedes Mal geraten, zu den niedergelassenen Fachärzten zu gehen. Doch welcher Facharzt sollte das sein??? Die Schmerzen verteilten sich inzwischen auf die Harnröhre, die Eierstöcke, die Blase, die Beine und den unteren Rücken. Entsprechend rannte ich von der Frauenärztin zum Urologen, vom Urologen wieder zur Frauenärztin, die mich abermals zum Urologen schickte (der ja nichts gefunden hatte). Also klapperte ich nach und nach die Urologen in Hamburg und Berlin ab, ließ eine Blasenspiegelung durchführen (kein Befund) und suchte bei Heilpraktikern, der Akupunktur und in der chinesischen Medizin mein Glück. Ich investierte Unmengen an Geld in diese Therapien, aber eine Besserung blieb aus. Dies ist leider keine ungewöhnliche Geschichte bei Endometriose-Betroffenen, denn der Weg bis zu einer endgültigen Diagnose dauert oft Jahre.
Eines Tages hatte ich einen Akuttermin bei meiner Frauenärztin und kam zur Vertretungsärztin. Eigentlich ging ich wegen des Verdachts auf eine Blasenentzündung hin und bei diesem Termin überkam es mich: Ich nannte auch meine anderen chronischen Unterleibsschmerzen und schilderte, dass ich schon jahrelang mit den Schmerzen lebte, allerdings nie etwas Auffälliges erkannt wurde. Die Vertretungsärztin hörte zu, griff zu einem Kladdeblock und blätterte darin. Sie sagte mir, dass sie wisse, was ich hätte. Sie hätte sich gerade erst in einer Fortbildung hierzu Notizen gemacht. Ich hätte eine Vaginose und sie verschrieb mir hierfür eine betäubende Creme, eine östrogenhaltige Creme für meine Vagina und irgendein sehr hoch dosiertes Nahrungsergänzungsmittel. Mit allerlei Cremes kam ich nach Hause und gab „Vaginose“ in die Suchmaschine ein. Doch die Symptome, die mir der Computer ausspuckte, passten gar nicht zu meinen. Ich hatte ein komisches Gefühl und auch die Vorstellung mir als Therapie eine schmerzstillende Creme sowie Hormone auf die Vaginalschleimhaut aufzutragen, behagten mir gar nicht. Ich ging also zurück zur Ärztin und erzählte ihr, dass ich mir sicher war, dass es keine Vaginose sei.
Daraufhin tat sie etwas, wofür ich ihr im Nachhinein dankbar bin, da ich mich sonst weiter im Kreis gedreht hätte: Sie gab zu, mir nicht weiterhelfen zu können und nannte mir eine Ärztin in einem Dysplasiezentrum in Hamburg, die sich laut ihr etwas besser auskennen würde. (Ein Dysplasiezentrum ist übrigens auf Veränderungen an den inneren oder äußeren weiblichen Genitalien spezialisiert.) Ich sollte dort vorstellig werden.
Fast Forward: Nach ein paar Monaten Wartezeit bekam ich im Dysplasiezentrum einen Termin und wurde untersucht. Allerdings war das einzig Auffällige beim Vaginalultraschall laut der Ärztin viel „freie Flüssigkeit“ im Bauchraum hinter meiner Gebärmutter. Eine nähere Erklärung hatte sie hierfür nicht. Allerdings war dies eigentlich auch schon ein weiteres Indiz, dass etwas nicht stimmte. Als ich eine mögliche Endometriose ansprach (der Verdacht ließ mich einfach nicht mehr los), hielt sie dies zwar für unwahrscheinlich, schlug mir aber dennoch vor, zu einer Endometriose-Sprechstunde im Albertinen-Krankenhaus Hamburg zu gehen und stellte mir für die Überbrückungszeit ein Rezept für Beckenboden-Physiotherapie aus.
Übrigens: Die Beckenboden-Physio war das Erste, das bei mir etwas Abhilfe schuf. Ich kann jeder Person mit unspezifischen Schmerzen im Becken dies nur empfehlen!
Für einen Termin im Albertinen-Krankenhaus benötigte ich einen „Einweisungsschein“. Den Einweisungsschein holte ich mir bei meiner niedergelassenen Frauenärztin und ging im Dezember 2021 nach einem langen Ärztemarathon endlich zu meiner ersten Endometriose-Sprechstunde im Albertinen-Krankenhaus. Übrigens dem ersten Ort meiner Reise, wo die Ärzte besser über Endometriose Bescheid wussten. Wie die Sprechstunde verlief, erfährst du im nächsten Blogbeitrag.