Hormontherapie in drei Akten

Wie ich in meinem Beitrag zu meiner ersten Endometriose-Sprechstunde berichtete, wurde mir im Endometriose-Zentrum geraten, eine Hormontherapie zu beginnen. Nebenbei gesagt, ich finde den Begriff Hormontherapie irreführend, weil es so klingt, als würde die Einnahme von gewissen Hormonen die Endometriose heilen. Das tut eine Hormontherapie nicht. Sie soll die Wucherung der Endometrioseherde eindämmen und die Beschwerden im besten Fall lindern. Eine Garantie dafür gibt es aber auch nicht.

Hormontherapie bei Endometriose
Hormone - mein täglicher Begleiter

Hormontherapie mit dem Monopräparat Dienogest (Endovelle)

So bekam ich Gestagen-Pillen (in meinem Fall die Endovelle) verschrieben, mit der Anweisung täglich eine einzunehmen, also ohne die bei Antibabypillen typische Einnahmepause von 7 Tagen. Die Ärzte nennen das Einnahme im Langzeitzyklus. Durch das Auslassen einer Einnahmepause kommt es nicht zu der sogenannten Abbruchblutung: die künstlich herbeigeführte Blutung wird also von dem Hormon-Präparat unterdrückt. So zumindest in der Theorie.

Am Anfang der Einnahme bemerkte ich kaum Nebenwirkungen, nur dass meine Blutung tatsächlich unterdrückt wurde. Das stimmte mich sehr optimistisch. Doch schon wenige Wochen später bekam ich Zwischenblutungen, die einfach nicht mehr aufhören wollten. Nach ein paar Wochen des Blutens befolgte ich den Rat meiner damaligen Gynäkologin und setzte die Pille wieder kurz ab, um „abbluten“ zu können, nahm sie nach einer mehrtägigen Pause aber wieder durchgängig ein. Das klappte bei mir tatsächlich gut.

So nahm ich also täglich die Endovelle ein und bemerkte langsam aber spürbar Veränderungen: Immer öfter bekam ich Migräne, die mich kaum mehr meine Arbeit verrichten ließ. Ich wurde total lichtempfindlich und ich konnte Nachmittags nicht mehr gut arbeiten, weil mein Kopf unerträglich pochte. Irgendwann setzte die Migräne fast täglich ein. Zusätzlich bekam ich sehr starke Hitzewallungen. Von einer Sekunde auf die nächste fing ich an wie verrückt zu schwitzen und hätte mir am liebsten alles vom Leib gerissen. Nachts wachte ich von den Hitzewallungen stündlich auf und war tagsüber entsprechend gerädert. Ich wurde folglich immer unausgeglichener, dünnhäutiger und konnte immer schlechter durchschlafen. Da mir sowohl in der Endometriose-Sprechstunde als auch von meiner Gynäkologin gesagt wurde, dass der Körper sich erst an das neue Mittel gewöhnen müsse, hielt ich aus und aus und aus… bis ich einfach nicht mehr konnte.

Ich ging zu meiner Gynäkologin und erzählte ihr, dass ich seit inzwischen sechs Monaten kaum mehr schlief und all diese anderen Nebenwirkungen hatte. Sie sagte, das sei wirklich schade, denn Dienogest sei das Mittel der Wahl bei Endometriose. Als Alternative empfahl sie mir auf eine Kombinationspille zu wechseln, in dem derselbe Wirkstoff (Dienogest) aber auch ein synthetisches Östrogen (Estradiol) steckte. So würde das Estradiol die starken Nebenwirkungen hoffentlich abfedern.

Hormontherapie mit der Kombipille Dienogest + Ethinylestradiol (Maxim)

Tatsächlich wurden meine Nebenwirkungen unter der Einnahme der Maxim besser: Die Hitzewallungen waren nicht mehr so stark, die Migräne zeigte sich nur noch ein Mal pro Woche und meine Stimmung war deutlich ausgeglichener. Auch verschwanden meine Pickel – ein wirklich netter Nebeneffekt. Allerdings waren meine Schlafstörungen einfach noch da.

Da ich zu der Zeit auch einen schweren familiären Verlust verarbeitete, vermutete ich dort die Ursache meiner Schlafstörungen. Ich fing an, jedes Mittelchen zur Schlafförderung zu testen. Von Lavendeltees, CBD Öl, Hoggar Night und Zopiclon, über die ganzen Hausmittel wie Schlafroutine, Meditation bis hin zur progressiven Muskelentspannung und ausreichend Bewegung… Ich setze es alles um. Nach einigen Monaten des erfolglosen Experimentierens schaltete ich meine Hausärztin ein und es ging weiter mit den etwas stärkeren Chemiekeulen. Ein paar von ihnen wirkten vorübergehend, aber nichts zuverlässig und auf Dauer. In dieser schlaflosen Zeit (es waren inzwischen zwei Jahre), wurde ich immer schwächer und regelrecht niedergeschlagen.

Als ich eines Tages routinemäßig bei meiner (neuen) Frauenärztin vorstellig war, erzählte ich ihr von meinem desolaten Zustand, aber auch meinen wieder stärker werdenden Unterleibsschmerzen. Sie schickte mich wieder in die Endometriose-Sprechstunde im Krankenhaus, wo ich zwei Monate später einen Termin zum Gespräch bekam.

Das Gespräch mit dem dort anwesenden Arzt war sehr gut. Er hörte mir zu und gab mir Hoffnung, als ich sie schon verloren hatte. Obwohl ich dachte, es ginge hauptsächlich um die direkten Endometriose-Beschwerden, war die erste Frage des behandelnden Arztes: „Wie geht es Ihnen mit der Pille?“ Ich schilderte also dem Arzt, dass ich kurz davor war, die Pille nicht mehr zu nehmen, weil ich mit den Nebenwirkungen nicht zurecht kam. Ich erzählte ihm von meiner Verstimmung und den Schlafstörungen und nach langem Zuhören sagte er: „Es ist ganz einfach, Sie vertragen dieses Gestagen nicht. Die letzten Jahre unter den Nebenwirkungen muss Ihre Lebensqualität ja katastrophal gewesen sein“. Endlich einer, der die Nebenwirkungen ernst nimmt!, dachte ich mir. Entgegen meiner Hoffnung, er würde mir raten, keine Pille zu nehmen, schrieb er mir jedoch eine Liste von weiteren Hormonpillen auf, die in Deutschland wohl nicht primär gegen Endometriose verschrieben werden, in den europäischen Nachbarländern aber schon. Ich solle davon noch ein paar ausprobieren, und wenn alles nichts bewirkte, sollten wir über eine weitere Bauchspiegelung sprechen.
(Meine erste Bauchspiegelung hatte ich fünf Monate nach Beginn der Hormontherapie gehabt.)

Hormontherapie mit dem Monopräparat Desogestrel (Solgest)

Wieder mit neuer Hoffnung gewappnet, ließ ich mir also ein Präparat von den mir empfohlenen Alternativen verschreiben. Die neue Pille enthielt ein anderes Gestagen, Desogestrel, aber keinen weiteren Wirkstoff. Ich begann die Einnahme und die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten:

Schon nach einer Woche ging es mir so schlecht, wie damals unter der Endovelle. Mein prekärer Schlaf wurde noch schlechter, die Hitzeschübe kamen wieder und meine Stimmung lief komplett aus dem Ruder: Ich wurde extrem reizbar und wieder komplett hoffnungslos. Nach nur drei Wochen der Einnahme war es so weit, dass ich 72 Stunden lang nicht schlafen konnte. Ich hatte wirklich keinerlei Energie mehr.

Es war an diesem Tag, am 3. Tag ohne Schlaf, dass es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel: Seit 2 Jahren machte ich nun die empfohlene Hormontherapie, und seit zwei Jahren schlief ich miserabel. Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir, dass dort der Zusammenhang und die Ursache lag. Was, wenn mein Schlaf zurückkehren würde, wenn ich keine Hormone mehr nehmen würde? Was, wenn ich dann auch keine Antidepressiva mehr benötigte (die erst unter der Hormontherapie nötig wurden), keine Schmerzmittel mehr gegen Migräne, keine Schlafmittel…? Als der Gedanke erst einmal da war, ließ er mich nicht mehr los und ich musste eine schwierige Entscheidung treffen. Sollte ich entgegen den Rat aller Ärzte handeln und die Hormontherapie abbrechen?

Ich bat meine Gynäkologin um einen Beratungstermin. Da diese aber so ausgebucht war, dass sie mir erst drei Monate später einen Termin anbieten konnte, beschloss ich, die Entscheidung allein zu treffen. In meinem übernächtigten Zustand war es plötzlich klar wie Kloßbrühe: Ich konnte die Hormone nicht weiter nehmen. Ich war körperlich und psychisch komplett am Limit und musste was ändern. Da ich kein besonders entscheidungsfreudiger Mensch bin, rief ich eine Freundin an, die auch Endometriose hat. Diese hatte vor 10 Jahren ihre Hormontherapie eingestellt und hat es geschafft, durch eine intensive Lebensumstellung nicht nur hormonfrei, sondern auch beschwerdefrei zu werden.

Nach einem langen Telefonat und einem guten Tipp, den ich dir nicht vorenthalten will, war ich in meiner Entscheidung bestärkt. Der Tipp meiner Freundin war folgender: Für Momente in der Zukunft, die mich an meiner Entscheidung zweifeln lassen würden, sollte ich genau an diesem Tag meiner Entscheidung einen Brief an mich selbst verfassen. In dem Brief sollte ich schriftlich genau auflisten, was mich zu der Entscheidung, es ohne Hormone zu probieren, bewegt hatte. Dies tat ich auch am selben Tag noch und klebte den Brief neben meinen Spiegel. Und wer hätte es gedacht? Ich fühlte mich danach tatsächlich mit meinem Entschluss wohler, denn so hatte ich meine Beweggründe schwarz auf weiß festgehalten.

An dem Abend stellte ich meinen Erinnerungswecker aus und nahm die Pille nicht. Natürlich hatte ich Sorge vor einer schmerzhaften Abbruchblutung und sonstigen Problemen, denn ich handelte nun gegen die ärztlichen Leitlinien. Aber schlimmer konnte es ja nicht werden, oder?

Wie es mir in den Wochen drauf erging, erzähle ich dir in meinem nächsten Beitrag.

Zurück
Zurück

Wieder hormonfrei

Weiter
Weiter

Meine erste Endometriose-Sprechstunde